Gerhart Baum: Datenschutz ist ein Menschenrecht

<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-fareast-font-family: "Times New Roman";mso-bidi-font-family:"Times New Roman"">Gerhart Baum, Mitglied unserer Initiative gegen Totalüberwachung, hat sich Gedanken gemacht über den jeden Bürger absolut zustehenden Datenschutz:</span>

 

 

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<span style="font-size:16.0pt;font-family:"Verdana",sans-serif;mso-fareast-font-family: "Times New Roman";mso-bidi-font-family:"Times New Roman"">Datenschutz ist ein Menschenrecht</span>

<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">von Gerhart Baum </span>

<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">veröffentlicht in: DIE ZEIT, 21.01.2016</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Die Situation ist klar: Gegenüber einem weltweiten Überwachungsstaat und einem globalen Überwachungskapitalismus sind wir längst in der Defensive. „Die digitale Moderne ist im Begriff, eine Buchführung unseres gesamten Lebens zu organisieren“, schrieb der 2014 verstorbene Frank Schirrmacher. Das erklärte Ziel ist es, vorauszusehen, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten werden, uns zu manipulieren und uns bei dem Gebrauch von Freiheitsrechten zu verunsichern. Neue „Massenausforschungswaffen“ werden entwickelt. Die technologische Revolution wird durch das Zusammenspiel von Staaten und privaten Datensammlern - Google sitzt auf dem größten Datenschatz der Menschheit - zu einem „faustischen Albtraum“. </span><span style="font-family:"Verdana",sans-serif; mso-bidi-font-family:Arial;mso-ansi-language:EN-US" lang="EN-US">Die Losung von Silicon Valley lautet „Privacy is no longer a social norm“. </span><span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family:Arial">Das zentrale Grundrecht unserer Verfassung, ja unserer westlichen Werteordnung schlechthin: die Menschenwürde, gerät unter die Räder. Bei allem durchaus berechtigten Fortschrittsoptimismus und angesichts großer Entwicklungs-und Wachstumschancen – das ist die Nachtseite der digitalen Revolution.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Es bedarf daher einer großen Kraftanstrengung, um das Überleben einer freien Gesellschaft  in der nicht zu bremsenden digitalen Revolution zu sichern. In dieser Lage hat Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, in der ZEIT die Formulierung einer „Charta digitaler Grundrechte“ gefordert, und Justizminister Heiko Maas hat, ebenfalls in der ZEIT, Vorschläge zu ihrer konkreten Ausgestaltung gemacht.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Eine solche Charta muss auf einen weltweiten Diskussionsprozess zielen. Dabei sollte auf das aufgebaut werden, was schon da ist. Und das ist nicht wenig.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Datenschutzpolitik beruht auf Grundsätzen. In ihrem Zentrum steht die Menschenwürde - „die moralischen Quelle, aus der sich die Gehalte aller Grundrechte speisen“ (Habermas).  Die Menschenwürde ist die Kernnorm des Grundgesetzes ebenso wie der geltenden Europäischen Grundrechtecharta. Auch die „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ aus dem Jahre 1948 geht davon aus. In ihrem Artikel 12 und in Artikel 17 des Zivilpaktes ist sogar das Recht auf Privatheit ausdrücklich festgeschrieben. Der Europäische Gerichtshof nimmt jetzt auf diesen Artikel ausdrücklich Bezug, wenn er eine Konstitutionalisierung internationaler Datenströme fordert.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Das Menschenrecht auf Privatheit ist ein Weltbürgerrecht. Im Rahmen der Vereinten Nationen ist dazu in den letzten Jahren einiges geschehen, was hierzulande allerdings kaum wahrgenommen wird. So hat die UN-Vollversammlung bereits im Dezember 2013 beschlossen, dass Menschenrechte  „offline“ wie „online“ gelten. 2014 wurde  diese Resolution unter dem Titel „Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter“ um substanzielle Aspekte angereichert.  Im Jahre 2015 einigte sich der Menschenrechtsrat auf die Einsetzung eines Sonderberichterstatters zu diesem Thema. Die Diskussion ist also im vollen Gange.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Auch in Europa. Mit der neuen, verbindlichen Datenschutzgesetzgebung für alle 28 Mitgliedsstaaten hat die EU einen wichtigen Schritt gemacht. Auch die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofes haben Pionierarbeit geleistet, auch wenn etwa eine überzeugende Politik zur Begrenzung von Marktmacht immer noch fehlt.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Dabei dürfen wir uns nicht von denen verunsichern lassen, denen aus Machterhaltungsgründen an dieser Wertordnung nichts gelegen ist: Die Menschenrechte gelten universell. Differenzierungen oder Abschwächungen verbieten sich.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Eine Digitale Grundrechtscharta sollte uns zuallererst vor dem Weltüberwachungsstaat schützen. Für eine weltweite, anlasslose Speicherung von Daten jeder Art besteht auch nach den jüngsten Terrorakten nicht der geringste Anlass. Die UN-Vollversammlung hat denn auch die Datensammelwut der NSA ausdrücklich kritisiert. Auch der BND muss seine rechtswidrigen Praktiken einstellen. Die Bedrohung durch den Staat darf nicht kleingeredet werden. Er kann seine Macht immer noch völlig anders einsetzen als die privaten Datensammler.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Aber auch die Souveränität des Bürgers über die eigenen Daten muss gestärkt werden. Sie ist besonders gefährdet bei vernetzten Systemen wie Smart Phones, Smart TV, Smart Cars, Smart Homes. Nahezu alle Systeme, die wir heute nutzen, lassen sich kontrollieren, steuern und manipulieren. Mit seinem wegweisenden  Online-Urteil von 2008 will das Bundesverfassungsgericht diese Systeme staatlich geschützt wissen. Das Urteil enthält eine Vielzahl von Handlungsaufträgen an den Gesetzgeber, die noch weitgehend unerfüllt sind.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Auch das Recht auf Vergessen muss zum Thema werden.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Besondere Bedeutung für die Informations- und Meinungsfreiheit nehmen  Suchmaschinen und soziale Netzwerke ein; sie sind die „Tore zur digitalen Welt“. Die einflussreiche Position von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken rechtfertigt es, sie stärker in die Pflicht zu nehmen und ihnen zugleich gewisse Freiheiten einzuräumen. Es muss sichergestellt sein, dass sie grundsätzlich nicht für Inhalte Dritter haften, es sei denn sie erhalten davon Kenntnis. Anderenfalls droht eine „Zensur“ durch diese Unternehmen – aus der Sorge, für problematische Inhalte selbst zur Verantwortung gezogen zu werde. Im Gegenzug zu diesem Privileg müssen sich Intermediäre neutral verhalten, das heißt, sie dürfen weder eigene Inhalte bevorzugen noch fremde Inhalte diskriminieren.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Ein freies Internet und die zugrundeliegende Infrastruktur sollten als schützenswertes internationales öffentliches Gut anerkannt werden. Es muss genau analysiert werden, ob eine stärkere institutionalisierte Steuerung des Internets durch die Vereinten Nationen oder andere internationale Organisationen aufgrund des wachsenden staatlichen Einflusses nicht auch Gefahren mit sich bringt.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Wettbewerb ist gerade im Internet ein wichtiges Regulativ wirtschaftlicher Macht. Die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern  muss durch die Möglichkeit zur Datenportabilität,  also die Möglichkeit, zu Konkurrenten zu wechseln, gestärkt werden.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Eine wichtige Maßnahme zur Freiheitssicherung ist die Möglichkeit, das Internet und dessen Angebote anonym oder unter einem selbst gewählten Pseudonym zu nutzen. Anbieter sollten verpflichtet werden, eine anonyme Nutzung zu ermögliche. Auch diese digitale Identität verdient Schutz. Der Staat sollte zudem das Recht auf Verschlüsselung  eines jeden Bürgers respektieren und fördern. Und das alles ist nur eine Auswahl der Themen, die  zu diskutieren sind.</span>

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<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial">Ich plädiere dafür, den weltweiten Austausch zwischen den zivilgesellschaftlichen Kräften zu fördern. An dessen Ende könnte eine Weltkonferenz stehen oder gar ein internationales Algorithmen-Abkommen. In anderen Politikfeldern gibt es solche Vereinbarungen, den Atomwaffensperrvertrag etwa oder das neue Klimaschutzabkommen von Paris. Nach der massiven Datenaufrüstung brauchen wir nun Datenabrüstung.</span>

 

 

<span style="font-family:"Verdana",sans-serif;mso-bidi-font-family: Arial"> Quelle: DIE ZEIT
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